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Materialien zu «Zur Wohnungsfrage 1972 »

[ Seiten im Aufbau, Anfragen: an Webmaster@filmkollektiv.ch ]
Filmmaterial und Produktionsunterlagen befinden sich in der
Cinémathèque Suisse (Zürich): Bestand CSZ 014 - CH CS DD1-ST48-05

Literatur, Verweise

Fabian Furter, Patrick Schoeck-Ritschard: Göhner wohnen. Wachstumseuphorie und Plattenbau.
Baden 2013. S. (191-) 197–201. [Über den Janssen-Rauswurf, Kurt Gloors Die grünen Kinder und Zur Wohnungsfrage.]

Über Dietrich Mackrodt, Arzt im Märkischen Viertel
https://www.spiegel.de/kultur/menschen-im-experiment-a-b1e0a21d-0002-0001-0000-000044303116

Friedrich Engels: Zur Wohnungsfrage. Leipzig 1872/1873, 2. Auflage Zürich-Hottingen1887.
in: MEW Bd. 18, S.209–287; Vorwort S. 647–655.


Presse

[Rubrik im Aufbau]

Pierre Lachat: Das Motiv der Stadt im Schweizer Film (Filmbulletin April 1992)


Katalogtexte

Programmangaben Solothurner Filmtage 1972

Programmheft Seite 67

Katalogtext Filmcooperative (p.331)

Der Titel .‚Zur Wohnungsfrage 1972» spielt auf die Schrift von Friedrich Engels aus dem Jahr 1872 an.

In vier Kapiteln mit den Überschriften «Wohnen im Grünen» – «Wohnen im Ghetto» » «Zuckerbrot und Peitsche» – «Wohnungsnot und Herrschaft» untersucht und beschreibt der Film die Wohnverhältnisse und Lebensbedingungen in unseren heutigen Großstädten (Berlin, Ruhrpott, München, Zürich). Er befragt die betroffenen Personen in den neuen Satelliten­städten und Wohnghettos, befragt die zuständigen Architekten und Stadtplaner, die interessierten Wohnbaugesellschaften und Immobiliengiganten: er analysiert und argumentiert.

Das erste Kapitel zeigt auf, dass die Versprechungen der Wohnbaugesellschaften vor allem eine Verschleierung ihrer Interessen und ihrer Stadtplanungspolitik sind. Ein Bewohner einer solchen Satellitenstadt im Film: «Die Ideologie vom Wohnen im Grünen bedeutet in der Wirklichkeit, dass es ausser Grün sonst gar nichts hat.»

Das zweite Kapitel «Wohnen im Ghetto» führt die Argumentation weiter und zeigt auf, wie eine Siedlungs- und «Umsetzungs»-Politik, welche die sogenannt «sozial schwachen Bevölkerungskreise» aus ihren angestammten Stadtquartieren an den Stadtrand aussiedelt, zu sozialer Desintegration und oft zum sozialen Abstieg führt. Dazu in Film ein Bewohner: «Die Folgeeinrichtungen, also Kindergarten, Schulen etc., die fehlen hier bis auf jämmerliche Reste.» dazu die Wohnbaugesellschaft: «Wir brauchen auch Kinder, die nur Arbeiter sein können; wir können uns nicht ein akademisches Proletariat erziehen.»

Die Überschrift «Zuckerbrot und Peitsche» besagt: erst werden die Bewohner mit Konsumangeboten gelockt: schöne Wohnungen, teure Einrichtungen‚ und wenn sie die hohen Mieten und Abzahlungsraten nicht verkraften können, fliegen sie raus: meist landen sie schließlich in einer Obdachlosensiedlung, «zu zwei Zimmer – acht Personen». Jörn Janssen dazu im Film: «Es gibt auch Leute, Vertreter unserer Wirtschaftsverhältnisse, die sagen: es muss eine solche Randgruppe geben, um jedermann vor Augen zu führen, was ihm droht, wenn er sich nicht ‹richtig› verhält».

Das vierte Kapitel «Wohnungsnot und Herrschaft» analysiert die Grundzüge alter und neuer Stadtplanung und weist darauf hin, wie konsequent sie den Zwecken der liberalistisch kapitalistischen Wirtschaft folgt. Der Film schließt mit dem Zitat von Friedrich Engels, nach dem das Wohnungsproblem nicht nur eine Frage der räumlichen und hygienischen Verhältnisse ist, sondern immer auch ein Herrschaftsinstrument in den Händen der herrschenden Klasse war.

Der Film «Zur Wohnungsfrage 1972» hat ein klares politisches Ziel: die Grundzüge kapitalistischer Stadtplanung aufzuzeigen, zu dokumentieren, anschaulich zu machen; er versucht durch seinen Aufbau und die Montage einen klaren Argumentationszusammenhang herzustellen, die Autoren erwarten vom Zuschauer keine besonderen Vorkenntnisse, nur kritische Aufmerksamkeit.


Hans Stürm und die Gesellschaft Christlicher Film

Aus: Gerber, Adrian (2010). «Eine gediegene Aufklärung und Führung in dieser Materie»: Die katholische Filmarbeit in der Schweiz 1908-1972. Fribourg: Academic Press Fribourg., S.69f.
https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/39747/1/Gerber_Katholische_Filmarbeit_2010.pdf

... Zu Beginn war die Nachwuchsförderung ein Projekt des Filmbüros und lief unter dem Namen Initiative für ein christliches Filmschaffen. In den Jahren 1964 und 1965 reaktivierte Bamberger den früher von Reinert für andere Zwecke gegründeten Verein Freunde des guten Films, änderte dessen Namen in Gesellschaft Christlicher Film (GCF) und übergab dieser die Aufgabe der Nachwuchsförderung. Die GCF war formell zwar ein unabhängiger Verein, in dessen Vorstand ab 1972 auch zwei reformierte Pfarrer sassen. Der Verein stand aber unter massgeblichem Einfluss der FK und des Filmbüros, das im Jahr 1965 und ab September 1971 wieder als Kontaktadresse diente und die Sekretariatsarbeiten erledigte.

Soviel zum organisatorischen Rahmen. Doch hatte das katholische Förderprogramm auch Erfolge zu verbuchen? Gleich beim ersten Zögling [i. e. Hans Stürm] schien die Sache gut zu klappen: Nachdem er zu den Siegern des Drehbuchwettbewerbes gehörte, konnte er, vom Filmbüro finanziell und praktisch unterstützt, einen kurzen Dokumentarfilm über das Zisterzienserkloster Hauterive [Hauterive, 1964] realisieren, den das Schweizer Fernsehen am Ostersonntag 1964 sogar ausstrahlte. Im Anschluss an sein Erstlingswerk wurden die beiden Folge projekte des inzwischen an einer Filmschule studierenden jungen Filmemachers von der GCF mitfinanziert. Das Konzept der «Erweckung und Förderung» funktionierte hier also ausgezeichnet und der Jungfilmer schaffte, begleitet von der katholischen Filmarbeit, den Einstieg in die professionelle Filmproduktion.

Ob man sich in der ersten Hälfte der 60er Jahre von der Nachwuchsförderung aber genau jene Filme erhoffte, die der ehemalige Wettbewerbsgewinner später realisierte, darf bezweifelt werden. Denn Hans Stürm, so der Name der katholischen Nachwuchshoffnung, entwickelte sich zu einem der wichtigsten und explizitesten linken Filmemacher der Schweiz. So stellt sich auch die Frage, ob ideologische Widersprüche, trotz Aufgeschlossenheit der kirchlichen Filmarbeit gegenüber sozialen Themen, womöglich die weitere Unterstützung Stürms verhinderten. Einige seiner als marxistisch wahrgenommenen Filme aus den 70er Jahren stiessen bei einem Grossteil des katholischen Publikums wahrscheinlich auf wenig Gegenliebe. Der Film zur Initiative für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch führte sogar in dem für katholische Verhältnisse «links» orientierten ZOOM-Filmberater zu ästhetischen und ideologischen Vorbehalten. Abschliessend sei noch bemerkt, dass nach Hans Stürm keinem der Regisseure von GCF-Übungsproduktionen mehr eine vergleichbare Karriere im schweizerischen Filmschaffen gelang. Die katholische Nachwuchsförderung hatte also einen äusserst bescheidenen Erfolg und wurde Mitte der 70er Jahre denn auch wieder aufgegeben.
(Siehe auch die Anmerkungen zu diesen Ausschnit in der Originalpublikation).


 

 



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